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Carmen Höfflin

Carmen Höfflin – Die Fußballnetzwerkerin

Bastian Soto und Fabian Diehr im Gespräch mit Carmen Höfflin | Tochter, Fußballerin, Polizistin, Co-Kommentatorin, Brückenbauerin – Carmen Höfflin hat im Laufe ihres Lebens schon viele Rollen gespielt. Ihre Fußballkarriere begann die gebürtige Freiburgerin bereits im Kindergartenalter beim FC Bötzingen. Später spielte sie viele Jahre beim SC Freiburg und auch in der Polizei-Nationalmannschaft. Ihre Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen setzt die zielstrebige Teamplayerin heute ein, um unterschiedlichste Menschen zusammenzubringen und Gutes zu tun. Im Gespräch berichtet sie außerdem von den Opfern, die ihre Eltern für sie gebracht haben, darüber, was sie als ihren größten Erfolg sieht und warum man manchmal einfach «gönnen können» muss. 

Carmen, wie bist du zum Fußball gekommen?
Der ist eher zu mir gekommen. Wir haben in Bötzingen direkt neben dem Sportplatz gewohnt. Ich bin immer mit meinem drei Jahre älteren Bruder und mit meinem Vater mitgegangen, die dort im Verein gespielt haben. Zunächst, um Gänseblümchen auf dem Platz zu pflücken, dann hat mich das Spiel mit dem Ball aber fasziniert, und so habe ich angefangen, mitzukicken – zunächst bei den F-Junioren. 

Bis zur C-Jugend hast du ausschließlich in Jungs-Teams gekickt …
Ja, das war ganz normal für mich. Ich habe mir da nie Gedanken gemacht. Irgendwann hat meine Mutter dann gesagt: «Ab jetzt musst du in der Schiedsrichterkabine duschen!» Da dachte ich nur: «Warum? Das checke ich jetzt nicht. Warum darf ich auf einmal nicht mehr mit meinen Kumpels duschen?»

Für die B-Jugend hast du dann aber keine Sonderspielgenehmigung erhalten und bist mit 16 zum SC Freiburg gewechselt. Wie war dieser Schritt für dich?
Ich war immer noch ballverrückt, wurde aber erwachsen. Ich habe ja auch mit 16 meine Ausbildung bei der Polizei begonnen und durfte dann auch schon den Führerschein machen. Meine Eltern haben damals sehr viel Zeit investiert. Meine Mutter hat beispielsweise mit dem Joggen angefangen, weil sie während meines Trainings immer warten musste. 

Und sportlich? Wie war der Übergang zum SC?
Die Frauen waren frisch in die erste Liga aufgestiegen. Und ich kam von einer Jugendmannschaft vom Dorf … Das war schon was anderes. Von null auf hundert. Körperlich hat mich das damals ganz schön mitgenommen. Heutzutage baut man das anders auf, sodass sich Spieler nach und nach an die Leistungssteigerung gewöhnen können. Aber ich war ja schon als kleines Mädchen SC-Fan, also war Aufgeben keine Option. 

Heute bist du immer noch Polizistin.
Nein, nicht mehr. Ich war 21 Jahre bei der Polizei. Vor ein paar Jahren hatte ich aber einen Dienstunfall. Danach bin ich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Polizeidienst ausgeschieden. Das war eine ganz schwere Phase … Und es schwankt immer noch. Es gibt Momente, in denen es mir nicht so gut geht und das von außen vielleicht gar nicht sichtbar ist. In meinen Traumatherapien bin ich mit Psychologen immer wieder der Frage nachgegangen, was mich eigentlich erfüllt. Die Antwort: Das war schon immer Fußball. Das sind die Kreise, in denen ich mich wohlfühle. Also habe ich mich geöffnet, beispielsweise für Benefizveranstaltungen oder für das Sozialprojekt «Team Bananenflanke». Das ist mittlerweile auch meine Familie. Hier mitzumachen ist einfach nur herzerwärmend – und auch eine Selbsttherapie, weil es so gut tat, wenn die Kinder einen herzlich umarmt haben. So habe ich den Weg zurück in den Fußball gefunden.

Und deine Rolle bei DAZN? Wie viel Zeit investierst du hier für die Vorbereitung?
Von der Arbeit als Moderatorin, Co-Kommentatorin oder Fußballexpertin habe ich schon immer geträumt. Ich investiere daher schon sehr, sehr viel Zeit in den Sport und in seine Hintergründe. Das fühlt sich aber gar nicht nach Arbeit an, weil ich so oder so immer Fußball schaue. Für DAZN bin ich als Freelancerin tätig und bin dann fast schon automatisch gut vorbereitet – auch weil ich den Zuschauern einen Mehrwert liefern möchte. 

Wie hast du die Spiele der Europameisterschaft gesehen? Hat sich der Frauenfußball für dich in den letzten Jahren verändert?
Ja, total. Er ist sehr dynamisch und athletisch geworden. Das sieht man auch am Spieltempo. Die Technik war schon immer sehr gut, aber auch die hat sich weiterentwickelt, wie alles im Frauenfußball, weil er mehr gefördert wurde. Das ging Schritt für Schritt voran. Die Trainingsbedingungen sind bei allen Teams besser geworden, die Trainerteams sind größer geworden. Die Möglichkeiten sind jetzt viel, viel besser und das sieht man auf dem Platz. 

Auch körperlich?
Die Frauen haben gerade auch bei der EM – auch wenn’s über 120 Minuten ging – wirklich immer Vollgas gegeben. Das war beeindruckend! Wenn es rein ums Spielerische geht, haben sich die Teams bei der EM von Sechzehner zu Sechzehner richtig gut aufgebaut. Aber dann haperte es. Da sind die Männer zielstrebiger, mit mehr Zug und mit mehr Ideen dabei.

Als Stürmerin hast du also die Spiele mit einem Kribbeln im Fuß geguckt?
Ja, sowieso, weil ich die Spiele halt spannend fand! Es war so spannend wie noch nie. Dann gibt es auch gewisse Reflexe und Spielideen in Situationen im Strafraum. Ich bin da aber nie besserwisserisch. Auch nicht beim Kommentieren. Hier finde ich es für den Zuschauer beispielsweise viel spannender, wenn man vermittelt, warum es andere anders gemacht haben als man selbst. War die Sicht nicht gut, die Wahrnehmung auf dem Platz eine andere? Oder gab es vielleicht ein technisches Defizit? Ich suche immer nach den Gründen, statt zu sagen, ich hätte es besser gemacht. Denn das hätte ich sicherlich nicht, weil es mittlerweile ein ganz anderes Spiel geworden ist.

Wo siehst du beim Frauenfußball in Deutschland noch Handlungsbedarf?
Bei der Infrastruktur. Nicht jeder Verein kann ein Umfeld wie das des FC Bayern vorweisen. Manche Bundesligateams teilen sich Plätze und Kabinen mit anderen Vereinen, teilweise arbeiten die Frauen noch nebenbei. 

Da könnte ja die Berichterstattung helfen.
Klar, wenn nichts gezeigt wird, kriegen die Leute auch nichts mit. Nur wenn professionell berichtet wird, mit spannenden Kameraperspektiven und Hintergrundberichten, ist Wachstum möglich. Dann werden die Spiele der Frauen-Bundesliga vielleicht auch einmal ausverkauft sein.

Was war dein größter Erfolg für dich?
Schwierig zu sagen. Ich definiere mich gar nicht so über Siege. Der größte Erfolg ist für mich eigentlich, dass ich so viele Freunde durch den Sport kennengelernt habe. 

Du widmest dich vielen karitativen Projekten. Wie würdest du hier die Kraft des Fußballs beschreiben?
Er ist wahnsinnig verbindend. In der Jugend waren bei uns viele Nationalitäten dabei – und ich habe die anderen Kinder zum Teil gar nicht verstanden. Sie mich vielleicht auch nicht, aber darum ging es in diesem Moment nicht. Denn der Fußball spricht seine eigene Sprache. Das hat uns verbunden. Der Fußball macht damit noch mal deutlich, dass es egal ist, wer wer ist. Er verbindet und man wird Teil einer schönen Gemeinschaft. Für mich heißt Fußball auch, immer einen Ort zu haben, wo ich hinkann, um Leute zu treffen.

Der Fußball tut sich auch leicht. Es reichen eine grüne Wiese, vier T-Shirts, um zwei Tore zu markieren, und ein Ball in der Mitte.
So war das bei uns auf dem Sportplatz auch immer, wenn wir außerhalb des Trainings bolzen gegangen sind … oder im Schwimmbad. Da haben wir gesagt «Komm, wir bolzen!» Wir haben geschaut, wer da schon so spielt und haben die dann herausgefordert. Das war einfach cool. So hat man neue Leute kennengelernt. Es durfte auch jeder mitspielen, egal wie alt oder wie jung. Das ist genau das, was den Fußball ausmacht.

Auf den meisten Fotos von dir fällt auf, dass du lachst. Ist das die Freude am Fußball, von der du sprichst?
Fußball tut mir einfach im Herzen gut, und ich glaube, das kommt dann auch unbewusst zum Ausdruck, weil ich mich so wohlfühle. 

Ist es auch das, was du jungen Spielerinnen mitgeben möchtest?
Ja, verfolgt eure Ziele und glaubt an sie! Etwas Ehrgeiz gehört auch dazu. Wenn man wirklich Bock auf Fußball hat, sollte man reflektieren und schauen, wie man sich verbessern kann. Aber immer mit Spaß und ohne Zwang. Sonst ist man vielleicht enttäuscht, wenn man zu viel erwartet und es nicht klappt. 

Wird Fußball manchmal zu wichtig gemacht?
Im Leistungssport spielt halt auch das Geld eine Rolle, und da ist Fußball ein Wirtschaftsbereich, der funktionieren und rentabel sein muss wie jeder andere auch. Andererseits bietet der große Fußball eine breite Öffentlichkeit, die man wiederum nutzen kann, um Gutes zu tun. Ich nutze hier natürlich meine Verbindungen, die ich als Spielerin aufgebaut habe.

Eigentlich bist du eine Fußballnetzwerkerin …
Mir ist es einfach wichtig, meine Stimme – auch, wenn es nur eine leise ist – zu nutzen, gerade auch für wohltätige Zwecke. Es spornt mich an, Projekten, die eine bessere Welt zum Ziel haben, mehr Gehör zu verschaffen und mit solchen Initiativen noch weiter zu kommen.

Haben dich auch mal andere Seiten am Fußball gereizt, z. B. die Rolle als Trainerin?
Grundsätzlich bin ich da nicht abgeneigt. Ich bin aber ehrgeizig! Dann müsste ich’s auch ins Professionelle bringen. Momentan genieße ich es aber, den Sport einfach für mich zu machen – so, wie es für mich gerade passt und ohne fremdbestimmt zu sein. Wenn ich morgens keinen Bock habe, dann mache ich das, was ansteht, eben mittags. Auch ohne dabei einen festen Plan über Monate hinweg zu haben. |