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Von Stefan Ummenhofer

Vereinsportrait Bahlinger SC

Mit Cleverness und Nestwärme rund um die «Ponderosa»

| Bahlingen am Kaiserstuhl: 4300 Einwohner, Weinbaugebiet, grenznah zu Frankreich gelegen. Südbadische Provinz … Wie schafft es ein solcher Ort, über Jahre in der vierten Liga gegen Clubs wie den SSV Ulm, die Kickers Offenbach, den VfR Aalen oder den FSV Frankfurt zu bestehen? «Durch viel Arbeit und ein enormes ehrenamtliches Engagement», sagt der Vorstandsvorsitzende Dieter Bühler. Es ließe sich ergänzen: durch Kontinuität. Durch Alleinstellungsmerkmale. Und: durch einen hohen Sympathiegrad.

Wer die Partien des BSC in der Regionalliga Südwest besucht, der will nicht unbedingt nur hochklassigen Fußball sehen. Die Intention vieler Besucher ist auch die sogenannte dritte Halbzeit, sprich das gemütliche Beisammensein rund um das kultige Vereinslokal «Ponderosa» im Holzbaustil – benannt nach der Ranch aus der 70er-Jahre-Serie «Bonanza», die zu Zeiten der «Ponde»-Einweihung ein Straßenfeger war. Auch fünf Stunden nach dem Schlusspfiff der Regionalliga-Begegnungen tummeln sich oft noch Hunderte Feierwütige und machen aus dem Fußballereignis ein alle 14 Tage wiederkehrendes Ersatz-Dorffest.


Der BSC als Marke

Als «italienischste Ecke Deutschlands» wurde Bahlingen in einer hessischen Tageszeitung von einem beeindruckten Sportjournalisten einmal bezeichnet. Was wohl heißen soll: Reizvolle Landschaft, es wird gerne gefeiert, der Wein fließt in Strömen, das Leben spielt sich eher als andernorts draußen ab – auch weil man deutschlandweit mit die meisten Sonnenstunden hat. Die Fans der Gastvereine fühlen sich, unabhängig vom Ausgang des Spiels, im Bahlinger Kaiserstuhlstadion sehr wohl, doch das allein erklärt den Erfolg des 1929 gegründeten Clubs nicht.

«Dem Verein ist es gelungen, sich im Ehrenamt zu professionalisieren», berichtet August Zügel, einst erfolgreicher Spieler, später jahrelanger Sportlicher Leiter und inzwischen Geschäftsführer der «BSC Werbung GmbH», die die finanziellen Grundlagen erwirtschaftet und den Kontakt zu den Geldgebern hält. «Wir haben unwahrscheinlich treue Sponsoren – und es werden immer mehr», berichtet Zügel erfreut. «Der Bahlinger SC ist in unserer Region eine Marke.»

An anderen Standorten gibt es oftmals übermächtige Hauptsponsoren, doch das ist nicht der Bahlinger Weg, das kann er auch nicht sein. Stattdessen hat man inzwischen fast 100 kleinere Sponsoren – meist unmittelbar aus der Region und bei den Partien auch persönlich im Stadion präsent. Das reicht freilich dennoch nicht, um etatmäßig auch nur annähernd mit den meisten anderen Regionalligisten mitzuhalten.

Bei der Verpflichtung neuer Akteure müssen diese daher in Kauf nehmen, weniger als andernorts zu verdienen. Dafür bekommt man eine berufliche Perspektive und die nötige Nestwärme. Und so wurden auch aus einstmaligen «Wandervögeln» wie dem Mittelfeldregisseur Hasan Pepic (einst Juventus Turin) oder dem ehemaligenSC-Freiburg-Akteur Shqipon Bektasi Leistungsträger, die dem Club nun schon seit fast fünf Jahren die Treue halten. Das mehrheitliche Anforderungsprofil für Neuzugänge: gestandene Spieler, die wieder zurück in die Heimatregion Südbaden wollen, starke Kräfte aus der Umgebung, Nachwuchskicker aus der nur gut 25 km entfernten Fußballschule des SC Freiburg, aber auch zunehmend Akteure aus der eigenen Jugend, die in den vergangenen Jahren immer professioneller aufgestellt wurde.

Fast logische Folge: die Gründung des Nachwuchsförderzentrums (NFZ) Kaiserstuhl im Frühsommer 2019. «Grundlage für die Arbeit im NFZ ist es, möglichst viele Fußballspieler für die Anforderungen unserer 1. Mannschaft auszubilden. Neben der sportlichen Ausbildung soll unseren Jugendspielern aber auch eine gute schulische und berufliche Ausbildung ermöglicht werden», beschreibt Thomas Weiss, Leiter des Nachwuchsförderzentrums, den Ansatz. Darüber hinaus lege man sehr großen Wert auf die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit. «Die Vermittlung von Werten wie Disziplin, Ordnung, gegenseitiger Respekt stehen deshalb im absoluten Mittelpunkt unserer Ausbildung», so Weiss.

Der sportliche Erfolg bleibt dabei natürlich nicht aus. In der vergangenen Saison holte sich die U19 des Bahlinger SC erstmals den südbadischen Pokal und schaltete dabei auch den Bundesligisten SC Freiburg aus. Der Lohn: ein gut besuchtes DFB-Pokal-Spiel gegen die U19 von Hansa Rostock. Für den nahtlosen Übergang zwischen Jugend und Aktiven steht auch die U23 des Vereins, die in den letzten Jahren aus der Bezirksliga in die Verbandsliga durchmarschierte. «Wir stellen rechtzeitig Weichen und planen nachhaltig: Umso erfreulicher ist es dann, wenn sich der Erfolg einstellt», sagt der Sportliche Leiter des NFZ, Kevin Kreuzer.


Die Nummer 2 in Südbaden

Ein Herzensanliegen des Bahlinger SC ist die Inklusion, die inzwischen sogar in der Satzung des Vereins verankert ist. Die Inklusive Ballschule des BSC, in der Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam Sport treiben und Spaß haben, wurde mehrfach ausgezeichnet. Der Bahlinger SC ist einer von nur drei Clubs in Baden, die sich «qualifizierter Inklusions-Sportverein» nennen dürfen. «Es gibt nichts Schöneres, als lachende Kinder in der Ballschulstunde zu haben» – so formuliert es Yannick Adler, der Initiator der Inklusiven Ballschule des BSC.

Der Bahlinger SC mit seinen 800 Mitgliedern steht also gut da und hat sich als südbadische Nummer 2 hinter dem SC Freiburg etabliert. Dass es so bleibt, hängt auch mit der Entwicklung des Ehrenamts zusammen. Wo andernorts in Liga 4 schon für zahlreiche Dienste Löhne und Gehälter gezahlt werden, machen dies beim BSC Mitglieder aus Verbundenheit zum Verein oder zum Dorf – seien es Thekendienste, Handwerksarbeiten oder den TV-Livestream. Das verdeutlicht: Der BSC sieht sich als Amateurverein in einer Profi-Liga.

Zudem herrscht große Kontinuität sowohl im Vorstand (der Vorstandsvorsitzende Dieter Bühler ist seit weit mehr als drei Jahrzehnten in verschiedenen führenden Funktionen aktiv) als auch bei den Trainern des Regionalligateams – Ex-Profi Dennis Bührer und Axel Siefert amtieren gleichberechtigt seit Sommer 2018. Zweimal belegte man hintereinander den 9. Platz in der Regionalliga-Abschlusstabelle, diese Spielzeit scheint eine ähnliche Platzierung nicht unrealistisch. Im Vergleich zu den finanziellen Möglichkeiten andernorts ist das erstaunlich.


Dorfentwicklung und Stadion-Neubau

Doch wo liegt die Zukunft des Bahlinger SC? Ein wichtiger Baustein ist die Frage nach einem neuen Stadion. Das jetzige liegt mitten im Ort – die Planungen für einen neuen Spielort am Ortsrand laufen, doch ob diese realisiert werden, hängt von den politischen Entscheidern ab. Die Gemeinde Bahlingen würde auf dem jetzigen Areal gern Baugrundstücke ermöglichen, denn der Wohnraum ist im Speckgürtel um Freiburg ein sehr rares Gut. Und so sind die Zukunftsplanungen des Bahlinger SC eng mit der noch in diesem Jahr anstehenden Entscheidung des Gemeinderats verbunden, inwieweit man die Dorfentwicklung vorantreiben möchte.

Den Geist der «Ponderosa», da sind sich die Verantwortlichen sicher, würde man auch in ein neues, moderneres Stadion übertragen können. Und feierwütig, das sind die Fans des BSC – darunter einige, die zu jedem Spiel aus dem benachbarten Elsass anreisen – ohnehin … |